Biosimilars: Entlastung für österreichisches Gesundheitssystem von 320 Millionen Euro bis 2021 möglich
- In den letzten sieben Jahren konnten die Ausgaben im Gesundheitssystem durch Biosimilars um 100 Millionen Euro reduziert werden.
- Österreich Schlusslicht: Der Marktanteil der Infliximab Biosimilars liegt in Österreich deutlich hinter den EU 5 Ländern (Deutschland, UK, Frankreich, Spanien, Italien).
- Rasche und hohe Marktdurchdringung durch Kooperation aller Akteure im Gesundheitssystem entscheidend, um Potenzial voll auszuschöpfen.
Der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) präsentierte am 28. November 2017 in Kooperation mit IQVIA (ehemals Quintiles IMS) die neue Biosimilars Studie 2017 und zeigt ein massives Entlastungspotenzial für das Gesundheitssystem auf: In den nächsten fünf Jahren könnten allein in Österreich 320 Millionen Euro durch den Einsatz von Biosimilars eingespart werden. „Um das Potenzial der Biosimilars voll auszuschöpfen, braucht es adäquate Maßnahmen und Planungssicherheit für die Industrie. Nur so können wir Patientinnen und Patienten einen raschen Zugang zu modernen, biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien ermöglichen“, so BiVö Präsidentin Dr. Sabine Möritz-Kaisergruber. Biologika haben die moderne Medizin revolutioniert und gewinnen in der heimischen Arzneimittelversorgung immer mehr an Bedeutung z.B. bei der Behandlung von Krebs, Wachstumsstörungen, Diabetes mellitus, Anämie, Fertilitätsstörungen, Multiple Sklerose oder Rheumatoide Arthritis. Biosimilars sind biotechnologische Nachfolgepräparate von Biopharmazeutika und im Preis wesentlich günstiger. „In den letzten sieben Jahren konnten bereits Einsparungen von 100 Millionen Euro durch Biosimilars erzielt werden“, so Dr. Martin Spatz, MBA, General Manager bei IQVIA Österreich (ehemals QuintilesIMS).
Großes Potenzial für Österreich
Aufgrund des im Vergleich zu Generika deutlich aufwändigeren Zulassungs- und Herstellungsprozesses bei Biosimilars sind weniger Markteintritte zu erwarten. Die Herstellung von Biosimilars ist technologisch ebenso aufwändig und komplex wie jene des Referenzproduktes. Die Entwicklung eines Biosimilars dauert ca. acht Jahre. Mit Kosten von bis zu 150 Millionen Euro. Das muss durch eine adäquate Preisregelung abgedeckt werden.
In Österreich ist das Effizienzpotenzial durch Biosimilars bei Weitem noch nicht voll ausgeschöpft. Der Marktanteil von Biosimilars am Markt von Infliximab liegt mit 27,3% hinter den EU 5 – Deutschland hat bei dieser Substanz einen Biosimilaranteil von 38,2% und Großbritannien sogar von 83,2%. Dr. Sabine Möritz-Kaisergruber dazu: „Ein Grund dafür ist die fehlende spezifische Biosimilars-Erstattungsregel in der Vergangenheit und damit die preisliche Gleichbehandlung mit Generika. Der aufwändige Zulassungs- und Herstellungsprozess bei Biosimilars im Vergleich zu Generika ist eine weitere Herausforderung. Eine rasche und hohe Marktdurchdringung muss daher Ziel sein. Es braucht ein wettbewerbsförderndes Umfeld, das Preisunterschiede berücksichtigt und ökonomische Verschreibung unterstützt, wie etwa im Burgenland, wo die Verschreibung durch die lokale Krankenkasse aktiv forciert wird, um den Mitteleinsatz zu optimieren.“
Bis März 2017 wurden in Österreich Biosimilars wie Generika erstattet. Daher sind einige Biosimilars gar nicht oder erst verspätet auf den Markt gekommen. Die neu beschlossene Preisbildungsregel seit 1. April 2017 hat bereits erste positive Effekte gezeigt, wie die Aufnahme dreier zusätzlicher Biosimilars in die Erstattung (Benepali, Remsima und Inflectra). Es fehlt aber noch eine Modifikation dieser Preisregelung, um Biosimilars in vollem Umfang für das Gesundheitssystem und die Patienten nutzbar zu machen. „Die vorgesehene deutliche Preisabsenkung des Referenzproduktes erschwert die Marktdurchdringung für Biosimilars in der Einführungs-Phase. Die erzwungene Preisgleichheit nach Aufnahme des dritten Biosimilars erschwert allerdings den mittelfristigen Wettbewerb“, erklärt Sabine Möritz-Kaisergruber.
Zusammenspiel aller Akteure im Gesundheitssystem notwendig
Der Informationsbedarf bleibt hoch: Vielen Ärzten, Apothekern, Krankenkassen und Patienten ist noch nicht bewusst, dass mit Biosimilars eine gleichwertige, qualitativ hochwertige Versorgung zur Verfügung steht und darüber hinaus noch gespart werden kann. „Hier ist noch Nachholbedarf“, so Sabine Möritz-Kaisbergruber. „Wir wollen Ärzte, Apotheker, Krankenkassen und Patienten davon überzeugen, dass nur ein Zusammenspiel aller das Vertrauen in Biosimilars stärken wird. Und nur dann kann das Einsparungspotenzial durch Biosimilars voll ausgeschöpft werden. Der Biosimilarsverband Österreich will den Meinungsaustausch fördern und das Bewusstsein über die Möglichkeiten durch Biosimilars bei allen wesentlichen Entscheidungsträgern des Gesundheitssystems schaffen. Aufklärungsarbeit ist daher besonders wichtig.“ Konkrete Maßnahmen dazu sind Gespräche und Fortbildungsangebote an wesentliche Teilnehmer des Gesundheitssystems. Nur so kann den Patientinnen und Patienten ein bedarfsgerechter und rascher Zugang zu modernen biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien ermöglicht werden, der auch nachhaltig finanzierbar ist.
Biopharmazeutika & Biosimilars: Der Markt wächst weiter
Biopharmazeutika stellen eines der am schnellsten wachsenden Segmente des Pharmamarktes dar. Sie entstehen in einem hochkomplexen Herstellungsprozess und sind dementsprechend kostenintensiv. Aus der medizinischen Praxis sind sie heute jedoch nicht mehr wegzudenken und stellen in vielen Bereichen die einzige therapeutische Option dar. Beispiele für diese unverzichtbar gewordenen Biologika sind z.B. Somatropin, Filgrastim, Insuline, Interferone, Erythropoetine und TNF-Blocker. Biosimilars sind als biotechnologische Nachfolgepräparate von Biopharmazeutika wesentlich günstiger – so können Gesundheitssysteme signifikant an Kosten einsparen. Bis heute sind in Österreich 16 Biosimilars erhältlich.
„Der Bedarf an hochwirksamen Biologika ist groß, die Nachfrage wächst kontinuierlich. Zuletzt ist der Umsatz in Österreich im Apothekensegment von 2016 auf 2017 um 4,5 Prozent auf über 370 Millionen Euro gewachsen. Der globale Biologika Markt wird bis 2021 auf 242,4 Milliarden Euro anwachsen und 24 Prozent des Pharmamarktwertes ausmachen. Der jährliche Umsatz der Biologika kann in Österreich durch Biosimilars ab 2019 unter der Schwelle von 400 Mio. EUR bleiben“, so Dr. Martin Spatz. Durch den Einsatz von Biosimilars können Kostenoptimierungen erzielt und Ressourcen für weitere innovative Therapiemöglichkeiten freigesetzt werden